Mit dem bald endenden deutschen EU-Ratsvorsitz ist das Bundeskriminalamt (BKA) seinem Ziel einen Schritt näher gekommen, die Polizeidienststellen in EU-Mitgliedstaaten in einem neuen Informationssystem zu vernetzen. Im Rahmen eines Europäischen Kriminalaktennachweises soll die Polizei in allen beteiligten Staaten Register zu Personen abfragen können, gegen die ein Strafermittlungsverfahren aktenkundig ist. Mit einem solchen „European Police Record Index System“ (EPRIS) könnte festgestellt werden, ob in den polizeilichen Datenbanken eines anderen Staates Daten vorhanden sind.
Seit Februar leitet das BKA ein EU-Projekt, das innerhalb eines Jahres zum zweiten Mal die Nutzung dieses EPRIS erprobt. Beteiligt sind die Polizei aus Frankreich, Belgien, Irland, den Niederlanden, Spanien und Ungarn sowie Europol. Partner aus der Privatwirtschaft sind die die deutsche Beratungsgesellschaft PD und das Berliner Fraunhofer Institut FOKUS.
Technische Lösung aus Deutschland
In einem ersten Pilotprojekt hatten die Beteiligten zunächst eine technische Lösung für das EPRIS getestet. Zum Einsatz kam eine vom BKA und Fraunhofer entwickelte Software „Automatisierung der Datenaustauschprozesse“ (ADEP). Das BKA erhielt die nötigen Mittel von der EU-Kommission aus dem Innere Sicherheitsfonds (ISF). Grenzüberschreitende Tests erfolgten anschließend im Rahmen des tatsächlichen polizeilichen Dienstverkehrs.
Eine EPRIS-Anfrage bei allen beteiligten Polizeidienststellen erfolgt im Treffer/Kein Treffer-Verfahren, wobei zunächst das Vorhandensein eines Eintrags geprüft wird. Anschließend kann ein vorliegender Datensatz über die regulären Kanäle zur Rechtshilfe unter EU-Mitgliedstaaten angefordert werden. Die Abfragen in ADEP sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums pseudonymisiert. Datenfelder sind der Familienname, Vorname, Aliasnamen, Geburtsdatum und Geschlecht.
In dem noch bis März 2021 fortgeführten, zweiten Pilotprojekt sollen nun die Software und einzelne Prozesse verbessert werden. Das BKA wirbt bei weiteren Mitgliedstaaten um die Teilnahme und bereitet den Regelbetrieb vor. Dann würde das derzeit dezentrale System mit einem zentralen Server ergänzt, über den die Abfragen an alle Beteiligten weitergeleitet würden.
EU-Vernetzung bräuchte langwierigen Rechtsakt
Allerdings braucht es für die Etablierung des EPRIS auf EU-Ebene einen entsprechenden Rechtsakt. Vorher müsste die Kommission eine Folgenabschätzung vornehmen. Darin müsste auch die Rolle von Europol untersucht werden. Zu den Vorschlägen gehört, im Falle von „Treffern“ auch entsprechende Daten zu den verdächtigen oder beschuldigten Personen in das Europol-Informationssystem zu übermitteln.
Zunächst müsste aber festgelegt werden, für welche Zwecke das EPRIS genutzt werden soll. Hierzu hatte die EU-Kommission bereits für 2012 eine Machbarkeitsstudie beauftragt. Eine große Mehrheit der befragten EU-Mitgliedstaaten sprach sich demnach dafür aus, die Abfragen auch für Verdächtige in Ermittlungsverfahren zu nutzen. Dies könnte nicht nur die mutmaßlichen TäterInnen betreffen, sondern nach Willen einer deutlichen Mehrheit auch deren Kontaktpersonen.
Weniger als die Hälfte der befragten Staaten haben befürwortet, auch die Daten zu Opfern von Straftaten mithilfe eines EPRIS europaweit abzufragen, einige sprachen sich auch für eine Abfrage von ZeugInnen aus. Drei Viertel aller Befragten sprachen sich zudem für einen automatischen Abgleich aus. Immer wenn bei einer Polizei dann ein Ermittlungsverfahren aktenkundig wird, würde dann eine Abfrage bei allen anderen Mitgliedstaaten erfolgen.
Studie nennt Pläne zu teuer
Zuerst hatten sich die EU-Innenminister 2004 mit der Schaffung eines EU-weiten Kriminalaktennachweises befasst. 2007 forderte die damalige Bundesregierung während ihres EU-Vorsitzes einen entsprechenden Rechtsrahmen und sprach sich seitdem mehrfach für eine Machbarkeitsstudie aus.
Auch der Vorschlag, die Abkürzung des geplanten Registers wegen seiner möglichen Verwechselung mit dem Strafregisterinformationssystem verurteilter Personen (ECRIS) von „CRIS“ zu „EPRIS“ ändern, stammte aus Deutschland. Auf Initiative des damaligen Innenministers Wolfgang Schäuble (CDU) landete das Vorhaben schließlich 2009 im „Stockholmer Programm“, in dem die EU polizeiliche Prioritäten für die folgenden fünf Jahre festgelegt hatte.
Die von der Kommission beauftragte Studie kam jedoch zu dem Ergebnis, dass ein EPRIS zu teuer sei. Stattdessen sollten andere Instrumente wie das Europol Informationssystem (EIS), das Schengener Informationssystem (SIS II), das SIENA-Kommunikationssystem bei Europol sowie der Informationsaustausch über den Prüm-Verbund „in vollem Umfang genutzt“ oder verbessert werden.
EPRIS zunächst unter freiwilligen Mitgliedern?
In den Prüm-Beschlüssen erlauben sich alle EU-Mitgliedstaaten die Abfrage von DNA-Daten und Fingerabdrücken, dies soll den Plänen der EU-InnenministerInnen bald auch Gesichtsbilder betreffen. Auf deutsche Initiative hatten mit dem Vertrag von Prüm 2005 zunächst eine Handvoll Staaten mit dem Abgleich begonnen, 2008 wurde das Verfahren auf EU-Ebene etabliert.
Wie schon 2007 hat die Bundesregierung jetzt versucht, ihren Ratsvorsitz für die Durchsetzung eines EU-weiten Kriminalaktennachweises zu nutzen. Auf Initiative des Bundesinnenministeriums hat der Innen-Rat hierzu am 14. Dezember „Schlussfolgerungen zur inneren Sicherheit und zu einer europäischen Polizeipartnerschaft“ verabschiedet, die auch das EPRIS betreffen. Allerdings erntete eine Formulierung des ersten Entwurfs der Schlussfolgerungen Gegenwind.
Ursprünglich wollte das Ministerium die Einführung eines EPRIS nach 16 Jahren endgültig festschreiben lassen („is introduced“). Diese Passage der Schlussfolgerungen wurde nach Intervention anderer Mitgliedstaaten in eine Erwägung geändert („could be considered“). Nun überlegen einzelne Regierungen, ein EPRIS wie im Prüm-Verfahren zunächst unter freiwilligen Staaten zu beginnen, und erst später auf EU-Ebene anzusiedeln.
Der Vorteil ist, dass man dann Selbstauskunft betreiben kann! Im richtigen Land den richtigen Schein an die richtige Person…
Hey Netzpolitik,
ich schätze Eure Artikel sehr, aber ich sehe auch den Arbeitsaufwand dahinter. Wie wäre es daher, wenn man alle Meldungen zur Deutschen EU-Ratspräsidentschaft einfach auf einen Punkt bringt und zusammenfasst? Zum Beispiel mit: Deutsche EU-Ratspräsidentschaft möchte den totalen Überwachungs- und Polizeistaat?
Das ganze entfaltet ein unglaubliches Missbrauchspotential. Bereits in Deutschland selbst ist ein Missbrauch durch Polizeibeamte auf einfachste Art und Weise möglich. Mit einer EU-weiten Abfrage können Polizeibeamte dann auch Ihre neuen Mieter aus dem EU-Ausland bereits vorab auf Herz und Nieren prüfen. Die Detektei aus Tschechien kann komfortabel über einen Mittelsmann deutsche Staatsbürger abfragen.
Dazu muss gesagt werden dass ein EPRIS erstmal nur anzeigt, OB ein anderer Mitgliedstaat über Daten zu der Person verfügt, nicht WELCHE. Diese können dann über die reguläre Rechtshilfe erfragt werden.